In der Welt der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) zeigen sich zahlreiche, oft unterschätzte Haftungsrisiken, die selbst bei soliden geführten Unternehmen ernsthafte finanzielle und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Viele Arbeitgeber unterschätzen die Tragweite ihrer Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich fehlerhafter Beratung, unzureichender Informationsweitergabe oder mangelhafter administrativer Umsetzung der bAV. Diese Risiken gilt es ernst zu nehmen, da sie nicht nur potenzielle finanzielle Belastungen, sondern auch langfristige Auswirkungen auf das Vertrauen der Mitarbeitenden haben können. Eine fundierte Analyse und eine rechtssichere Gestaltung der bAV sind unerlässlich, um sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeitenden nachhaltig zu schützen.
Haftung bezeichnet die rechtliche Verantwortung für Schäden, die durch bestimmte Handlungen oder Unterlassungen verursacht werden. Sie verpflichtet eine Person oder Institution dazu, für entstandene Schäden einzustehen, die durch ein Verschulden, sei es durch Vertragsverletzung oder unerlaubte Handlung, entstanden sind.
1.2. Voraussetzungen und Kriterien der Haftung
Eine Haftung setzt voraus, dass ein Verschulden vorliegt, das bedeutet, dass der Schaden durch eine absichtliche oder fahrlässige Handlung verursacht wurde. Ein Verschulden kann sowohl in einer bewussten Entscheidung als auch in einer Nachlässigkeit bestehen, bei der die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wurde.
Darüber hinaus muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Handlung und dem entstandenen Schaden bestehen. Das heißt, es muss eine klare Verbindung zwischen dem schädigenden Verhalten und dem tatsächlichen Schaden erkennbar sein.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein muss. Hierbei ist es wichtig, dass dieser Schaden konkret und messbar ist, sei es in finanzieller Form oder durch andere nachteilige Auswirkungen. Ein bloßer Verdacht oder eine theoretische Möglichkeit eines Schadens reichen nicht aus, um eine Haftung zu begründen.
2.1. Nachweisgesetz: Informationspflichten und Haftungsminimierung in der bAV
Seit dem 1. August 2022 gilt durch das novellierte Nachweisgesetz, dass Arbeitgeber zwingt alle wesentlichen Vertragsbedingungen, darunter auch Informationen zur betrieblichen Altersvorsorge, schriftlich festhalten und den Mitarbeitenden spätestens zum Arbeitsbeginn übergeben müssen. Das bedeutet: Der Arbeitsvertrag oder ein entsprechendes Dokument muss vom Arbeitgeber unterschrieben vorliegen. Die Unterschrift der Mitarbeitenden ist zwar nicht zwingend vorgeschrieben, aber aus Nachweisgründen empfehlenswert.
Seit 2025 ist es dank des vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) zudem möglich, diese Informationen auch elektronisch in Textform, beispielsweise per E-Mail, bereitzustellen – vorausgesetzt, sie sind für den Mitarbeitenden zugänglich, speicher- und druckbar, und es wird eine Empfangsbestätigung eingefordert.
Detaillierte Informationen finden Sie im Artikel zum Nachweisgesetz:
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2.2. Die Bedeutung von Rentenfaktor und Treuhänderklausel in der bAV
Ein oft unterschätztes Haftungsrisiko in der betrieblichen Altersversorgung liegt in der Ausgestaltung des Rentenfaktors sowie in der sogenannten Treuhänderklausel. Beide bestimmen maßgeblich die Rentenhöhe und damit auch die potenzielle Einstandspflicht des Arbeitgebers.
Der Rentenfaktor regelt, wie das gebildete Versorgungskapital in eine lebenslange Rente umgewandelt wird. Was viele Unternehmen nicht wissen: Auch bei der beitragsorientierten Leistungszusage haftet der Arbeitgeber für die zugesagte Versorgung, also auch für die lebenslange Rentenzahlung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG). Ist der Rentenfaktor nur bedingt oder tatsächlich nicht garantiert (auch wenn man es anders vermutet), kann das schnell zu einer erheblichen Versorgungslücke führen und damit zur Haftung durch die Einstandspflicht des Arbeitgebers (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG).
Zusätzlich problematisch ist die Treuhänderklausel, die es Versicherern erlaubt, den Rentenfaktor im laufenden Vertrag zu kürzen, etwa bei gestiegener Lebenserwartung oder sinkender Kapitalmarktrendite. Solche Anpassungen müssen zwar von einem unabhängigen Treuhänder genehmigt werden, dennoch führen sie regelmäßig zu rentenmindernden Auswirkungen, für die im Zweifel der Arbeitgeber haftet. Besonders kritisch: Viele Verträge enthalten keine „harte Garantie“, das heißt, der vermeintlich zugesagte Rentenfaktor ist faktisch nicht garantiert und kann vom Versorgungsträger geändert werden.
Unternehmen sollten ihre bAV-Verträge daher dringend auch auf die konkrete Ausgestaltung der Rentenfaktoren und Treuhänderklauseln prüfen lassen. Welche Unterschiede zwischen weichen und harten Rentenfaktoren bestehen und wie sich daraus konkrete Haftungsrisiken ergeben, lesen Sie im ausführlichen Beitrag:
Rentenfaktor & Treuhänderklausel: Definitionen, Unterschiede, Risiken und Haftung
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2.3. Was bedeutet Subsidiärhaftung?
Subsidiärhaftung bedeutet, dass jemand nachrangig für eine Verpflichtung einsteht, wenn der eigentlich zuständige Leistungsträger nicht (mehr) oder in voller Höhe leisten kann. Der Begriff leitet sich vom lateinischen "subsidium" (= Hilfe, Reserve) ab und beschreibt damit eine Art „Auffangverantwortung“.
2.3.1 Was bedeutet Subsidiärhaftung im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersvorsorge?
Die Subsidiärhaftung ist ein zentrales Prinzip der betrieblichen Altersvorsorge. Sie beschreibt die gesetzliche Einstandspflicht des Arbeitgebers für zugesagte Versorgungsleistungen, auch wenn ein externer Versorgungsträger, etwa eine Direktversicherung, Pensionskasse oder ein Pensionsfonds, die zugesagten Leistungen nicht (vollständig) erbringen kann.
Die gesetzliche Einstandspflicht ist in § 1 Abs. 1 Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt. Demnach haftet der Arbeitgeber unabhängig vom gewählten Durchführungsweg weiterhin für die Erfüllung der Versorgungszusage. Die rechtliche Verantwortung bleibt also beim Arbeitgeber, auch wenn die Durchführung der Versorgung ausgelagert wurde. Ziel ist der Schutz der Arbeitnehmer vor Versorgungslücken infolge von Insolvenzen oder Leistungsausfällen auf Seiten der Versorgungsträger.
Ausnahme: Bei tarifvertraglichen Beitragszusagen im Rahmen des Sozialpartnermodells (§§ 21 ff. BetrAVG) entfällt die Subsidiärhaftung, da hier ausschließlich ein Beitrag zugesagt wird, nicht jedoch eine konkrete Leistung.
2.3.3. Strategien zur Risikominimierung der Subsidiärhaftung in der bAV
Die Subsidiärhaftung kann im Ernstfall zu erheblichen finanziellen Belastungen führen. Um diese Risiken zu vermeiden, ist ein proaktives Risikomanagement entscheidend. Die folgenden Maßnahmen helfen, die Haftungslast gezielt zu reduzieren.
Finanzielle Stabilität der Versorgungsträger regelmäßig bewerten, z. B. durch Bonitätsprüfungen und Analyse der Solvabilitätskennzahlen.
Alle verwendeten Dokumente, Verträge inkl. Versicherungsbedingungen sind auf nachteilige Regelungen zu prüfen.
Fachanwälte oder spezialisierte bAV-Berater einbinden, um formale Fehler mit Haftungsfolgen zu vermeiden.
Mitarbeitende zielgerichtet über Zusageart und mögliche Absicherungsmechanismen informieren (lückenlose Dokumentation).
Selbst wenn Beiträge zur bAV ordnungsgemäß entrichtet wurden, kann die Einstandspflicht des Arbeitgebers greifen, z. B. wenn der externe Versorgungsträger ausfällt oder die Leistung reduziert. Die rechtzeitige und lückenlose Dokumentation aller relevanten Vertragsbestandteile sowie die sorgfältige Auswahl leistungsfähiger Anbieter sind daher zentrale Maßnahmen, um das Risiko einer subsidiären Haftung wirksam zu begrenzen.
3. Reduzierung von Haftungsrisiken dank digitaler bAV-Verwaltung
Angesichts steigender Haftungsrisiken und des enormen zeitlichen Aufwands bei manuellen Prozessen fragen sich viele Unternehmen: Ist die Digitalisierung der bAV-Verwaltung die Lösung?
Achtung: Eine fehlerhafte Handhabung der betrieblichen Altersvorsorge kann nicht nur den Ruf eines Unternehmens beeinträchtigen, sondern auch zu finanziellen Belastungen durch Haftungsansprüche führen. Diese Haftungsrisiken in der bAV können für Arbeitgeber zu einem Albtraum werden, da selbst scheinbar unbedeutende Fehler in der Verwaltung oder unzureichende Dokumentationen erhebliche finanzielle Schäden verursachen können.
3.1. Vorsicht vor Haftungsfallen: 3 Beispiele für potenzielle Risiken in der bAV-Verwaltung
Im Folgenden werden drei häufige Herausforderungen in der bAV-Verwaltung vorgestellt, die zu rechtlichen Auseinandersetzungen, finanziellen Einbußen oder sogar Schadensersatzforderungen führen können.
- Unvollständige Beratungsprotokolle und mangelhafte Dokumentation gehören zu den häufigsten Fehlerquellen in der bAV-Verwaltung. Werden Beratungsgespräche, Vertragsabschlüsse oder andere relevante Vorgänge nicht ausreichend aufgezeichnet, fehlt im Streitfall die rechtliche Nachweisbarkeit, mit möglichen haftungsrechtlichen Konsequenzen. Eine leistungsfähige bAV-Software wie EasyPension® unterstützt Unternehmen bei der lückenlosen Erfüllung ihrer Dokumentations- und Informationspflichten.
- Fehlberechnete Arbeitgeberzuschüsse oder administrative Versäumnisse bei der Beitragsabwicklung bergen erhebliche Risiken. Überhöhte Zuschüsse führen zu unnötigen finanziellen Belastungen, zu geringe können die zugesagten Versorgungsleistungen mindern, was im Ergebnis eine Einstandspflicht des Arbeitgebers nach sich ziehen kann.
- Die jährliche Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) macht eine systematische Prüfung und Nachberechnung aller betroffenen bAV-Verträge erforderlich. Viele HR-Systeme stoßen bei der Verwaltung dynamischer Beitragselemente an technische und prozessuale Grenzen. Unterbleibt eine saubere Anpassung, drohen ungewollte Leistungslücken oder Rückforderungsansprüche. Eine automatisierte, fehlerfreie Verwaltung hilft, solche Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtssicher zu steuern.
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