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Von Bisex- zu Unisex-Tarifen: Warum der Gender Gap in der Rente bleibt

Trotz Unisex-Tarifen bleibt der Gender Gap in der Rente bestehen. Frauen verdienen weniger, unterbrechen häufiger – und erhalten im Alter deutlich geringere Renten. Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) kann helfen, diese Lücke zu verringern.

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1. Rückblick: Bisex-Tarife als Spiegel vergangener Strukturen

Bis zum Jahr 2012 waren in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge sogenannte Bisex-Tarife üblich. In diesen Tarifen wurde das Geschlecht als versicherungsmathematischer Faktor bei der Berechnung von Prämien und Leistungen berücksichtigt.

Hintergrund war die unterschiedliche statistische Lebenserwartung: Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer. Dadurch erhielten sie rechnerisch länger Rentenleistungen – und mussten in Bisex-Tarifen höhere Beiträge zahlen oder bekamen bei gleichen Beiträgen geringere Renten zugesagt.

Diese Praxis führte dazu, dass Frauen mit einem ohnehin schon geringeren gesetzlichen Rentenversicherungsansprüchen noch stärker benachteiligt wurden. Gerade in der betrieblichen Altersvorsorge, die eng an Einkommen und Beitragsdauer gekoppelt ist, verstärkten die Bisex-Tarife bestehende Ungleichheiten: Frauen arbeiteten häufiger in Teilzeit, unterbrachen ihre Erwerbstätigkeit häufiger für Familien- oder Pflegezeiten und verfügten so über geringere bAV-Anwartschaften.

2. Der Wendepunkt: Einführung der Unisex-Tarife

Am 21. Dezember 2012 trat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Kraft, die Versicherer verpflichtete, das Geschlecht nicht mehr als Berechnungsgrundlage zu verwenden. Seitdem gelten sogenannte Unisex-Tarife, die für Männer und Frauen identische Beiträge und Leistungen vorsehen.

Diese Umstellung war ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichbehandlung, da sie die offensichtliche Diskriminierung aufgrund biologischer Unterschiede beendete. Frauen mussten fortan nicht mehr mit höheren Beiträgen rechnen, nur weil sie länger leben.

3. Was ist der Gender Pension Gap?

Der sogenannte Gender Pension Gap beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen den durchschnittlichen eigenen Alterseinkünften von Männern und Frauen.

Er ist die späte Folge des Gender Pay Gaps und spiegelt die kumulierten Unterschiede in Einkommen, Arbeitszeiten und Erwerbsverläufen wider.

Historische Einordnung

Lange Zeit wurde die Alterssicherung in Deutschland auf eine männlich geprägte Erwerbsbiografie ausgelegt: durchgängige Vollzeitbeschäftigung mit steigendem Einkommen. Frauen, die häufiger unterbrechen oder in Teilzeit arbeiten, konnten in diesem System deutlich geringere Rentenansprüche aufbauen.

Auch gesellschaftliche Rollenbilder, fehlende Betreuungsangebote und steuerliche Anreize wie das Ehegattensplitting trugen dazu bei, dass Frauen im Erwerbsleben systematisch benachteiligt wurden – und diese Unterschiede sich im Alter fortsetzen.

4. Der Gender Pension Gap heute

Aktuelle Daten belegen, dass die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen auch heute noch deutlich besteht.

  • Laut Daten der ASID-Studie 2023 (BMAS) beträgt der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Alterseinkommen von Männern und Frauen in Deutschland rund 43 %.
  • Männer beziehen im Durchschnitt monatlich etwa 2.030 €, Frauen hingegen 1.340 € aus eigenen Vorsorgeleistungen.
  • In der betrieblichen Altersvorsorge liegt die Differenz noch höher: Frauen verfügen über rund 49 % geringere bAV-Ansprüche als Männer.
  • Nur etwa 13 % der Frauen erhalten derzeit eine betriebliche Altersvorsorgeleistung, bei Männern sind es 27 %.

Diese Unterschiede haben gravierende Folgen. Sie bedeuten nicht nur geringere finanzielle Unabhängigkeit im Alter, sondern erhöhen auch das Risiko von Altersarmut, insbesondere für Frauen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien.

Selbst in Ostdeutschland, wo Frauen traditionell höhere Erwerbsquoten aufweisen, droht die Lücke künftig zu wachsen – durch steigende Teilzeitquoten und abnehmende Geburtenzahlen.

5. Ursachen im Überblick

Die zentralen Ursachen des Gender Pension Gaps sind vielschichtig und greifen tief in die Struktur des deutschen Arbeits- und Vorsorgesystems ein. Es handelt sich nicht um ein einzelnes Problem, sondern um die Summe mehrerer systemischer Benachteiligungen, die sich über Jahrzehnte aufbauen.

Einkommensunterschiede – der Ursprung der Rentenlücke

Der Gender Pay Gap bildet die Grundlage des Gender Pension Gaps. Frauen verdienen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt (2024) im Durchschnitt 16 % weniger pro Stunde als Männer. Der bereinigte Unterschied – also bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbszeit – liegt immer noch bei 6 %.

Da die betriebliche und gesetzliche Altersvorsorge unmittelbar an das Einkommen gekoppelt ist, führen geringere Löhne automatisch zu geringeren Beitragszahlungen und Rentenanwartschaften.
In der Praxis bedeutet das: Wer weniger verdient, spart nicht nur weniger, sondern profitiert auch prozentual geringer von Arbeitgeberzuschüssen oder staatlicher Förderung.
 

Teilzeitarbeit und Minijobs – die unterschätzte Falle

Rund 48 % aller erwerbstätigen Frauen arbeiten in Teilzeit oder Minijobs – häufig aus familiären Gründen. Teilzeitbeschäftigte sind grundsätzlich bAV-pflichtig, jedoch ist die Bemessungsgrundlage für die betriebliche Altersvorsorge geringer, da sie meist ein geringeres Einkommen haben. Dadurch sind die Möglichkeiten für eine Entgeltumwandlung eingeschränkt.

Während Männer über viele Jahre kontinuierlich Rentenpunkte und bAV-Beiträge aufbauen, fällt der Vorsorgeeffekt bei Frauen in Teilzeit oft deutlich geringer aus.

Zudem wirken sich geringere Bruttolöhne doppelt negativ aus:

  • Die absolute Beitragshöhe zur bAV fällt geringer aus.
  • Der prozentuale Arbeitgeberzuschuss (mindestens 15 %) führt bei niedrigen Einkommen zu einem geringen absoluten Mehrwert.
Erwerbsunterbrechungen – die unsichtbaren Vorsorgelücken

Familienzeiten, Pflege von Angehörigen oder Phasen ohne Beschäftigung sind klassische Bruchstellen in weiblichen Erwerbsbiografien. Jede Unterbrechung bedeutet nicht nur entgangene Rentenpunkte, sondern auch unterbrochene Beitragskontinuität in der betrieblichen Altersvorsorge.

Da die meisten bAV-Systeme auf kontinuierlicher Einzahlung basieren, entstehen Lücken in der Kapitalbildung, die auch durch spätere Nachzahlungen kaum ausgeglichen werden können.
Zudem verzichten viele Frauen in diesen Phasen auf die Fortführung bestehender Verträge – oft aus Unwissenheit oder finanzieller Notwendigkeit.

Die Folge: Die bAV wirkt am stärksten für die, die ohnehin durchgängig einzahlen können – und das sind überwiegend Männer.

Fehlende Eigenvorsorge und Anlageverhalten

Frauen beginnen im Durchschnitt später mit privater oder betrieblicher Vorsorge und investieren deutlich konservativer. Studien zeigen, dass Frauen in der Kapitalanlage risikoaverser sind und häufig in klassische Sparformen mit niedrigen Renditen investieren.

Die Folge sind langfristig geringere Kapitalerträge – und damit geringere Zusatzrenten.

6. Lösungsansätze – wie sich der Gender Pension Gap verringern lässt

Die Bekämpfung des Gender Pension Gaps erfordert mehr als tarifliche Gleichstellung. Sie braucht strukturelle Veränderungen, finanzielle Aufklärung und gezielte Arbeitgeberstrategien.

Für Arbeitnehmer
  • Frühzeitige Vorsorgeplanung: Bereits kleine Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge können durch den Zinseszinseffekt und steuerliche Förderung über die Jahre eine spürbare Zusatzrente aufbauen. Entscheidend ist, früh zu beginnen – auch mit geringen Beträgen.
  • Nutzung moderner Vorsorgeformen: Neben der klassischen bAV gewinnen fondsgebundene bzw. ETF-basierte Kapitalanlagen an Bedeutung. Sie bieten langfristig höhere Renditechancen als rein garantiebasierte Produkte.
  • Kontinuität statt Perfektion: Erwerbsunterbrechungen – etwa durch Eltern- oder Pflegezeiten – sollten nicht zum Abbruch der Vorsorge führen. Selbst regelmäßige Kleinbeträge sichern Rentenansprüche und reduzieren langfristig die Versorgungslücke.
Für Arbeitgeber

Arbeitgeber können eine zentrale Rolle dabei spielen, die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen zu verkleinern:

  • Gezielte Ansprache von Frauen: Frauen müssen noch aktiver über die bAV informiert und motiviert werden.
  • Flexiblere Modelle: Arbeitgeber können Lösungen anbieten, die auch bei Teilzeit oder Elternzeit funktionieren – etwa durch Zuschüsse oder Nachzahlungsoptionen.
  • Transparente Kommunikation: Die bAV sollte als fester Bestandteil des Vergütungssystems verstanden werden, nicht als Zusatzoption.
  • Verantwortungsbewusstes Employer Branding: Unternehmen, die Gleichstellung auch in der Altersvorsorge fördern, positionieren sich glaubwürdig als moderne Arbeitgeber.

Der Gender Pension Gap bleibt auch 2025 deutlich spürbar und erfordert gezielte Maßnahmen auf individueller und betrieblicher Ebene.

Die betriebliche Altersvorsorge ist dabei eines der wirksamsten Instrumente, um Frauen zu stärken und langfristig mehr finanzielle Unabhängigkeit im Alter zu schaffen. Arbeitgeber, die dies erkennen und aktiv fördern, leisten nicht nur einen Beitrag zur Gleichstellung, sondern auch zur Zukunftsfähigkeit ihrer Belegschaft.