1. Rückblick: Bisex-Tarife als Spiegel vergangener Strukturen
Bis zum Jahr 2012 waren in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge sogenannte Bisex-Tarife üblich. In diesen Tarifen wurde das Geschlecht als versicherungsmathematischer Faktor bei der Berechnung von Prämien und Leistungen berücksichtigt.
Hintergrund war die unterschiedliche statistische Lebenserwartung: Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer. Dadurch erhielten sie rechnerisch länger Rentenleistungen – und mussten in Bisex-Tarifen höhere Beiträge zahlen oder bekamen bei gleichen Beiträgen geringere Renten zugesagt.
Diese Praxis führte dazu, dass Frauen mit einem ohnehin schon geringeren gesetzlichen Rentenversicherungsansprüchen noch stärker benachteiligt wurden. Gerade in der betrieblichen Altersvorsorge, die eng an Einkommen und Beitragsdauer gekoppelt ist, verstärkten die Bisex-Tarife bestehende Ungleichheiten: Frauen arbeiteten häufiger in Teilzeit, unterbrachen ihre Erwerbstätigkeit häufiger für Familien- oder Pflegezeiten und verfügten so über geringere bAV-Anwartschaften.
3. Was ist der Gender Pension Gap?
Der sogenannte Gender Pension Gap beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen den durchschnittlichen eigenen Alterseinkünften von Männern und Frauen.
Er ist die späte Folge des Gender Pay Gaps und spiegelt die kumulierten Unterschiede in Einkommen, Arbeitszeiten und Erwerbsverläufen wider.
Historische Einordnung
Lange Zeit wurde die Alterssicherung in Deutschland auf eine männlich geprägte Erwerbsbiografie ausgelegt: durchgängige Vollzeitbeschäftigung mit steigendem Einkommen. Frauen, die häufiger unterbrechen oder in Teilzeit arbeiten, konnten in diesem System deutlich geringere Rentenansprüche aufbauen.
Auch gesellschaftliche Rollenbilder, fehlende Betreuungsangebote und steuerliche Anreize wie das Ehegattensplitting trugen dazu bei, dass Frauen im Erwerbsleben systematisch benachteiligt wurden – und diese Unterschiede sich im Alter fortsetzen.
Selbst in Ostdeutschland, wo Frauen traditionell höhere Erwerbsquoten aufweisen, droht die Lücke künftig zu wachsen – durch steigende Teilzeitquoten und abnehmende Geburtenzahlen.
Die zentralen Ursachen des Gender Pension Gaps sind vielschichtig und greifen tief in die Struktur des deutschen Arbeits- und Vorsorgesystems ein. Es handelt sich nicht um ein einzelnes Problem, sondern um die Summe mehrerer systemischer Benachteiligungen, die sich über Jahrzehnte aufbauen.
Einkommensunterschiede – der Ursprung der Rentenlücke
Der Gender Pay Gap bildet die Grundlage des Gender Pension Gaps. Frauen verdienen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt (2024) im Durchschnitt 16 % weniger pro Stunde als Männer. Der bereinigte Unterschied – also bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbszeit – liegt immer noch bei 6 %.
Da die betriebliche und gesetzliche Altersvorsorge unmittelbar an das Einkommen gekoppelt ist, führen geringere Löhne automatisch zu geringeren Beitragszahlungen und Rentenanwartschaften.
In der Praxis bedeutet das: Wer weniger verdient, spart nicht nur weniger, sondern profitiert auch prozentual geringer von Arbeitgeberzuschüssen oder staatlicher Förderung.
Teilzeitarbeit und Minijobs – die unterschätzte Falle
Rund 48 % aller erwerbstätigen Frauen arbeiten in Teilzeit oder Minijobs – häufig aus familiären Gründen. Teilzeitbeschäftigte sind grundsätzlich bAV-pflichtig, jedoch ist die Bemessungsgrundlage für die betriebliche Altersvorsorge geringer, da sie meist ein geringeres Einkommen haben. Dadurch sind die Möglichkeiten für eine Entgeltumwandlung eingeschränkt.
Während Männer über viele Jahre kontinuierlich Rentenpunkte und bAV-Beiträge aufbauen, fällt der Vorsorgeeffekt bei Frauen in Teilzeit oft deutlich geringer aus.
Zudem wirken sich geringere Bruttolöhne doppelt negativ aus:
- Die absolute Beitragshöhe zur bAV fällt geringer aus.
- Der prozentuale Arbeitgeberzuschuss (mindestens 15 %) führt bei niedrigen Einkommen zu einem geringen absoluten Mehrwert.
Fehlende Eigenvorsorge und Anlageverhalten
Frauen beginnen im Durchschnitt später mit privater oder betrieblicher Vorsorge und investieren deutlich konservativer. Studien zeigen, dass Frauen in der Kapitalanlage risikoaverser sind und häufig in klassische Sparformen mit niedrigen Renditen investieren.
Die Folge sind langfristig geringere Kapitalerträge – und damit geringere Zusatzrenten.
6. Lösungsansätze – wie sich der Gender Pension Gap verringern lässt
Die Bekämpfung des Gender Pension Gaps erfordert mehr als tarifliche Gleichstellung. Sie braucht strukturelle Veränderungen, finanzielle Aufklärung und gezielte Arbeitgeberstrategien.
Der Gender Pension Gap bleibt auch 2025 deutlich spürbar und erfordert gezielte Maßnahmen auf individueller und betrieblicher Ebene.
Die betriebliche Altersvorsorge ist dabei eines der wirksamsten Instrumente, um Frauen zu stärken und langfristig mehr finanzielle Unabhängigkeit im Alter zu schaffen. Arbeitgeber, die dies erkennen und aktiv fördern, leisten nicht nur einen Beitrag zur Gleichstellung, sondern auch zur Zukunftsfähigkeit ihrer Belegschaft.